Anmerkungen (Oktober 1904)

Aus Potsdam-Chronik
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Zu dem Wettbewerb betr. den Bebauungsplan der Brandenburger Vorstadt in Potsdam liefen 95 Arbeiten ein. Den I. Preis von 1000 M. erhielt Hr •. Geometer Rudolf Linkenheil in Mannheim;den II. Preis von 750 M. die Hrn. Reg.-Bmstr. Ing. Rob. Weyrauch in Frankfurt a. M. und Arch. Mart. Mayer in Hamburg; den III. Preis von 500 M. Hr. Ob.-Ing. Ad. Knispel in Wiesbaden. – Sämtliche Entwürfe sind bis 24. Nov. im Palast Barberini in Potsdam öffentlich ausgestellt.

Deutsche Bauzeitung, Nr. 90/1904, S. 560


Der Wettbewerb für Bebauungspläne der Brandenburger Vorstadt zu Potsdam.

Wer die am 24. Nov. d. J. geschlossene Ausstellung der Entwürfe im Palast Barberini in Potsdam mit prü-fendem Blicke betrachtet hat, wird ein Gefühl hoher Befriedigung kaum verspüren. Die große Mehrzahl der 95 Pläne wurde der gestellten Aufgabe nicht gerecht; man kann dies nicht einmal von den 18 Arbeiten behaupten, die das Preisgericht auf die engere Wahl gebracht hat. Gründe für diese Auswahl sind in dem Urteilsspruch nicht angegeben; ebenso wenig ist ausgesprochen, warum gerade den Entwürfen „Videant consules“, „Heimatsinn“ und „Victoria Luise“ die drei ausgesetzten Preise zuerkannt worden sind. Weder „videant consules“ noch „Victoria Luise“ haben einen künstlerischen Inhalt; schöne Stadtplätze fehlen, die Blockfiguren sind wirtschaftlich nicht vorteilhaft. Zwar zeigt „Videant consules“ sehr gute Verkehrslinien, aber die meisten der vorgeschlagenen Straßenbreiten von 28 m bis zu 15,2 m erscheinen für ein stilles Vorstadtviertel erheblich zu groß. Offenbar hat das Wettbewerbs-Programm die Bewerber irregeleitet. Man denke: für das bescheidenste Wohnsträßchen 15,2 m Verkehrsraum und dazu noch beiderseits Vorgärten! Unter den drei preisgekrönten Arbeiten erscheint, abgesehen von derselben übertriebenen Straßenbreite, der Entwurf „Heimatsinn“ von Reg.-Bmstr. Weyrauch und Arch. Mart. Mayer als der ansprechendste; auch besitzt er schöne Stadtplätze, die aber leider gleichfalls in zu großem Maßstabe angelegt sind: ist doch beispielsweise dem neuen Empfangsgebäude der Station Wildpark und seinem Vorplatze eine Länge von 200 m zugedacht!

Auch die vom Preisgericht zum Ankauf empfohlenen Entwürfe „Uebersichtlich“ und „Camillo Sitte“ zeigen mehr Schwächen als Vorzüge. Der letztgenannte Entwurf besitzt freie Plätze bis zu 350 m Länge und unnötig viele Blockspitzen. Künstlerisch und technisch stehen weit höher die erst bei der engeren Wahl ausgeschiedenen Pläne „Cosi“, „Städtebau“, „Sanssouci“, sowie die gar nicht in die engere Wahl genommenen Arbeiten: „Großstadtflucht“, „Wirtschaftlich“, „Brandenburg“ und „Flurgrenzen“. Als Verfasser des zuletzt erwähnten Entwurfes nennt sich Architekt Hans Bernouilli. Die allzu peinliche Festhaltung der bestehenden Grundstücksgrenzen als zukünftige Bauplatzgrenzen hat eine sehr ungleiche Blockbildung veranlaßt von teils zu beschränkten, teils zu geräumigen Abmessungen; auch sind die Verkehrslinien wohl unzureichend entwickelt; aber ein vollendet schöner Hauptplatz und zahlreiche malerische Straßenbilder rücken dennoch den Entwurf mit in die vorderste Linie. Auch „Brandenburg“ zeichnet sich aus durch künstlerische Empfindung, ist aber im ganzen etwas unruhig und zerrissen. Eine Fülle schöner Straßen- und Platzbilder bietet der Entwurf „Städtebau“; aber die unvorteilhaften, großen Blöcke und die im Uebermaß angeordneten Zickzack-Straßen beeinträchtigen doch den Gesamtwert. „Cosi“ zeigt vorteilhafte, lang gestreckte Blöcke und manche Schönheiten, ist aber im ganzen etwas kleinlich; „Sanssouci“ dagegen verdient volle Würdigung wegen guter, länglicher Blockbildung, klarer Verkehrslinien und schöner Platzanlagen; sehr reizvoll ist beispielsweise die Kirchvorplatzgruppe. Es mag indes anerkannt werden, daß die meisten der von uns hier hervorgehobenen Entwürfe mit den Programm-Vorschriften, wenn man sie streng wörtlich auffaßt und namentlich die schon in einer früheren Notiz der „Deutschen Bauztg." als unsachgemäß bezeichneten Mindestbreiten für Nebenstraßen (15,2 m plus Vorgartentiefe) unbedingt festhält, in manchen Punkten nicht vereinbar sind. Dem Preisgerichte soll deshalb kein Vorwurf gemacht werden; allein eine Begründung des Urteils und vielleicht auch ein bedauernder Hinweis auf ungeeignete Programm-Vorschriften wären wohl am Platze gewesen. - J. St.

Deutsche Bauzeitung, Nr. 103/1904, S. 651