Anmerkungen (Juni 1886)

Aus Potsdam-Chronik
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Neubau der Langen Brücke in Potsdam.

Der Entwurf zum Staatshaushalts-Etat für 1886/87 enthält an zwei Stellen erhebliche Geldansätze für den Neubau der Langen Brücke in Potsdam, für Ueberführung der Saarmunder Strasse daselbst und für einige Erweiterungen des Bahnhofs Potsdam, Anlagen, welche sämmtlich unter einander in naher Verbindung stehen.

Die "Lange Brücke" bestehend aus 8 mit gusseisernen Bogen überspannte Oeffnungen und einem beweglichen Schiffsdurchlass ist eine der frühesten Eisenkonstruktionen dieser Art, da dieselbe schon im Anfang der 20er Jahre des gegenwärtigen Jahrhunderts erbaut ward. Theils die im Verhältnis zu dem grossen Verkehr zu geringe Breite von überhaupt 7,9 m, theils der mangelhafte Bauzustand machen einen Neubau erforderlich. Dem sehr gesteigerten Lastverkehr sind die Tragebögen längst nicht mehr gewachsen; sie haben Risse und Sprünge erlitten, welche so weit sie erkennbar wurden, durch Aufsetzen schmiedeeiserner Laschen nothdürftig ausgebessert worden sind. Einer Verbreiterung, an die man denken könnte, steht der Umstand entgegen, dass sie den kostspieligen Bau einer Interimsbrücke erforderlich machen würde; ausserdem bliebe das Bedenken bestehen, ein Bauwerk aus einem Material zu erhalten, dessen Verwendung in neuerer Zeit grundsätzlich ausgeschlossen ist.

Ueber die Bauweise der neuen Brücke ist im Etatsansatze nichts weiter vermerkt, als dass sie hoch zu liegen kommen wird, ihre Lage eben oberhalb der alten Brücke und eine geringere Länge als diese erhält. Die Kosten einschliesslich der Kosten der Strassenüberführung und der viel gestaltigen Rampenanlagen sind zu 1 790 000 M berechnet, von denen als 1. Theilsumme 600 000 M gefordert werden.

Durch den Neubau der Langen Brücke wird eine Verschiebung des Güterbahnhofs Potsdam bedingt; zusammenhängend damit soll im Sparsamkeits-Interesse eine Verbesserung der mangelhaften Anlagen des ganzen Potsdamer Bahnhofes ausgeführt werden, welche insbesondere die Erweiterung des Hauptgebäudes und der Perrons, sowie den Bau eines Lokomotivschuppens umfasst. Nach dem geringen Betrage von 20 000 M zu schliessen, der als 1. Theilsumme ausgeworfen ist, muss aber angenommen werden, dass die betr. Pläne noch keine bestimmte Gestalt gewonnen haben.

Deutsche Bauzeitung, Nr. 9/1886, S. 56




Architekten-Verein zu Berlin. Versammlung am 12. Dezember 1887. Vorsitzender Hr. Dr. Hobrecht; anwesend 75 Mitglieder und 3 Gäste. ...

Das auswärtige Vereinsmitglied, Hr. Wasserbau-Inspektor Carl Müller aus Potsdam hält alsdann den angekündigten Vortrag über den:

Neubau der Langen Brücke in Potsdam.

Den geschichtlichen Vorbemerkungen des Hrn. Vortragenden entnehmen wir, dass unweit der jetzigen Langen Brücke bereits im frühen Mittelalter eine feste Havelbrücke bestanden hat, welche zu Anfang des 15. Jahrhunderts durch einen Neubau ersetzt wurde. Zur Zeit des Grossen Kurfürsten wurde diese Brücke im Jahre 1661 durch den bekannten Baumeister Memhardt aus Holz neu hergestellt. Sie genügte in dieser Gestalt, nachdem sie unter Friedrich dem Grossen einer Haupt-Reparatur unterzogen war, dem Bedürfnisse bis zum Anfang der 20er Jahre unseres Jahrhunderts. Durch eine Kabinetts-Ordre des Königs Friedrich Wilhelm III. wurde demnächst der Bau der zur Zeit noch bestehenden Brücke nach den Plänen des Geheimen Oberbaurath Günther genehmigt, deren Vergänglichkeit allerdings bereits durch das für die Träger-Konstruktion gewählte Baumaterial - Gusseisen - begründet war. Die namentlich in den Zwickeln der Träger auftretenden Hemmungen und Verschiebungen gaben die Veranlassung zu zahlreichen, im laufe der Zeit sich immer bedenklicher gestaltenden Brüchen, so dass schon aus diesem Grunde seit einigen Jahren ein Neubau in Aussicht genommen werden musste. Eine weitere zwingende Veranlassung hierzu war der Umstand, dass die gegenwärtige Brücke mit ihrer nur 6,3 m breiten Fahrbahn und mit den beiderseitigen Fusswegen von je 1,6 m Breite den Verkehrs-Ansprüchen nicht mehr zu entsprechen vermochte und zeitweise thatsächlich ein Verkehrs-Hindernis bildete. Letzteres um so mehr, als die eine der neuen Oeffnungen, mit welchen die Brücke bei einer Gesammtlänge von 197 m die Havel einschliesslich der dieselbe theilenden Freundschaftsinsel überschreitet, mittels hölzerner Aufzugsklappen als Schiffsdurchlass eingerichtet ist, und da ferner die an das südliche Ende der Brücke sich anschliessende Hauptstrasse in Schienenhöhe über die Gleise des nahe gelegenen Bahnhofes fortgeführt ist un d bei dem lebhaften Zugverkehre oft zu beiden Seiten abgesperrt werden muss. Der allgemeine Entwurf für den Neubau der Brücke ist im Jahre 1885 unter der oberen Aufsicht des Hrn. Geh. Oberbaurath A. Wiebe in dem Ministerium der öffentlichen Arbeiten aufgestellt. Bei der neuen Anlage, welche oberhalb der alten angeordnet ist, hat die von der Stadtseite aus in dem Verhältnisse 1:60 ansteigende Fahrbahn zwischen ihrer Konstruktions-Unterkante und dem Hochwasserspiegel des der Schiffahrt dienenden linken Havelarmes eine Höhe von 3,25 m erhalten, welche für den ungehinderten Schiffs-Verkehr genügt. Die am linken Havelufer an die Brücke sich anschliessende Hauptstrasse ist über die Bahnhofsgleise hinweg geführt worden; an derselben Stelle zweigt sich eine nach dem Empfangsgebäude führende Rampe ab. Im übrigen ist durch den Neubau eine erhebliche Aenderung der Bahnhofs-Anlagen bedingt worden.

Der Neubau zerfällt in zwei massive Theile, welche lediglich die beiden Wasserarme überbrücken, und eine zwischen denselben befindliche Dammschüttung, deren Böschungen in eine auf der Freundschafts-Insel herzustellende Gartenanlage übergehen. Auf der Dammschüttung wird ein Quer-Gebäude errichtet. Die Breite des Fahrdammes beträgt 11 m, diejenige der beiderseitigen Fusswege je 3,5 m. Ersterer gestattet die bisher sehr entbehrte Fortsetzung der zur Zeit vor dem Stadtschlosse endigenden Pferdebahnlinie, bis zum Bahnhofe. Von den beiden massiven Brücken-Bauwerken hat das nördliche drei Oeffnungen von je 11,33 m und das südliche drei Oeffnungen von je 18 m Lichtweite. Die sämmtlichen Wölbungen sind in Klinkermauerwerk hergestellt und im Aeusseren mit Sandstein verblendet.

Im Juni vorigen Jahres ist mit der Ausführung der Erdarbeiten und zwar mit der Aufhöhung der Freundschafts-Insel sowie mit der Herstellung vorläufiger Wege-Anlagen begonnen worden. Der hierzu erforderliche Boden wurde mittels des Priestmann`schen Exkavators aus der Havel gefördert. Etwas später wurden die Ramm-Arbeiten für die Gründung der Pfeiler und Widerlager der Brücken, welche mit Rücksicht auf die verschiedenen Höhenlagen des festen Baugrundes unter der Flusssohle theils auf Beton theils auf Pfahlrost erfolgt ist, in Angriff genommen. Es waren etwa 2 500 qm Spundwände herzustellen und über 600 Stück Rostpfähle von etwa 12 m Länge zu schlagen, zu welchem Behuf anfänglich 3 Dampframmen und mehrere Handrammen im Betriebe waren; die letzteren wurden indessen wegen ihrer ungenügenden Leistungen bald durch 2 weitere Dampframmen ersetzt. Bei der Einbringung der Rostpfähle ist mit Erfolg von dem sog. Spül-Verfahren Gebrauch gemacht worden. Durch zwei der Länge nach an dem Pfahle angebrachte Rohrleitungen wurde hierbei mittels Maschinenkraft Druckwasser getrieben, welches an der Spitze des Pfahles austretend, den Boden auflockerte und dadurch ein schnelles Eindringen der Pfähle in denselben veranlasste. Erst die Absenkung der letzten 3-5 m der Pfähle ist durch die Rammen bewirkt worden.

Die Bauarbeiten, über deren mannichfache interessante Einzelheiten der Hr. Vortragende sich unter Hinweisung auf die ausgestellten Zeichnungen eingehend verbreitete, sind bisher durchaus programmgemaäss vorgeschritten, so dass die gänzliche Vollendung der neuen Anlage zum 1. Juli nächsten Jahres erwartet werden kann. Die Kosten für die Herstellung derselben sind auf 1,740 000 M veranschlagt worden.

Die besondere Leitung der Neubauten ist dem K. Reg.-Bmstr. F. W. Hoffmann übertragen; mit der künstlerischen Gestaltung derselben war der K. Reg.-Bmstr. Poetsch betraut. -e.-

Deutsche Bauzeitung, Nr. 102/1887, S. 610